Zum Leben auferstehen
April 7, 2023

Zum Leben auferstehen

Ein leeres Grab, zusammengelegte Leinenbinden, verstörte Frauen und Männer die nichts begreifen. Dieses Bild könnte entstehen, wenn ich die Texte lese, die im Neuen Testament von Ostern handeln.

Statt Freude oder lautem Jubel begegnen einem Unverständnis und ratloses Schweigen.
Was war damals in Jerusalem am ersten Ostermorgen los?

Ist Jesus auferstanden, oder war alles nur eine Einbildung seiner Anhängerinnen und Anhänger?

Die alten Überlieferungen sind eine Herausforderung. Im Vordergrund steht jedoch nicht der Bericht über eine historische Tatsache, sondern die Deutung von Erfahrungen, die Frauen und Männer machten, als sie frühmorgens zum Grab Jesu gingen. Sie waren schon längere Zeit mit Jesus unterwegs und hatten erlebt, wie er selbst verschiedenen Menschen neu das Leben schenkte: er löste bei ihnen Blockaden, öffnete Augen und Ohren. Sie waren dabei, als Jesus zum Mahl einlud und alle an dem einem Tisch saßen: Sünder, Fromme, Zöllner und Ausgestoßene. In Jesus erkannten sie Gott – menschlich und nahbar. Sie merkten, dass Grenzen fallen können im Namen Gottes, sogar jene, die der Tod markiert und jetzt das: Jesu Sterben am Kreuz war ein Schock und eine Enttäuschung. Die Hoffnung auf Befreiung, nicht nur von der römischen Besatzung, sondern von allem, was das Leben einschränkt und verhindert, schien dahin. Sie hatten wohl auf den Falschen gesetzt.

Dennoch geschieht ein Aufbruch: Frauen lassen sich nicht abhalten, stellen sich dem Tod und gehen nochmals hinaus zum Grab. Auch sie wollten wie Jesus den Aufstand wagen: nicht aufgeben und dem Tod nicht das letzte Wort überlassen. Wir können nicht sagen, was damals genau passiert ist. Das ist vielleicht auch gar nicht so wichtig. Die Frauen erfahren, dass das Leben stärker ist und sehen das leere Grab. Auch andere aus der Gemeinschaft um Jesus spüren, dass er lebt. Alle tun sie das auf ihre eigene Weise und an ganz unterschiedlichen Orten. Aber es war keine Rückkehr in die frühere gemeinsame Zeit. Im Gegenteil: ihr Weg ging weiter. Sie fanden für sich einen neuen Sinn, fassten Vertrauen und konnten aufstehen aus der Trauer und Niedergeschlagenheit und zum Leben aufschauen.

Ostern provoziert und möchte eine Haltung hervorrufen, die das neue Leben nicht nur feiert, sondern so handelt, dass das auch möglich wird. Ich möchte aus dieser österlichen Hoffnung leben, die trotz allem ja zum Leben sagt. Ich möchte offen werden für die Erfahrung des Lebens, das sich nicht totkriegen lässt und sich den Weg in die Welt bahnt. Ich möchte den Aufstand gegen alles wagen, was unterdrückt und die Freiheit verhindert. Ich möchte den Spuren der Frauen und Männer des ersten Ostermorgens folgen. Dann kann geschehen – so bin ich sicher – dass Gräber sich auch heute leeren und Menschen zum Leben aufstehen. Ich wünsche Ihnen ein frohes Osterfest.

 

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Wolfram Rösch

Pastoralreferent in Schwäbisch Hall

Mein Schwerpunkt ist St. Markus. Mir ist es wichtig, Formen zu finden, den Glauben zeitgemäß zu verkünden. Das versuche ich im Gottesdienst, in der Predigt, in den Bildungsangeboten und beim Schreiben von Artikeln. Ich möchte die Menschen anregen, Gott in ihrem Leben zu entdecken. Ein wichtiger Punkt in meiner Arbeit ist die Feuerwehr- und Notfallseelsorge, wo ich auch als aktiver Feuerwehrmann Menschen in absoluten Grenzsituationen beistehen kann. Ich bin verheiratet, meine Frau ist ebenfalls Pastoralreferentin. Wir haben drei erwachsene Söhne.

Wolfram.Roesch@drs.de