Eine Betrachtung zum Sonntagsevangelium
In jener Zeit rief Jesus die Jünger zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. – Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (Mk 10,42-45)
Ein Gespenst geht durch Europa: Extremistische Parteien und autoritäre Politiker finden in den letzten Jahren wieder mehr Anhänger. Der Ruf nach dem ‚Starken Mann‘, der in schwierigen Zeiten Ordnung schaffen soll, ist in manchen Köpfen wieder salonfähig geworden. Nicht jede/r Poilitiker/in kann – rechts wie links – der Versuchung mit einfachen Antworten populistisch auf Stimmenfang zu gehen, widerstehen: das Streben nach Macht ist zu verlockend.
Die Evangelium des Sonntags lässt allerdings ahnen, dass die Macht-Frage auch schon im Jüngerkreis Jesu ein Thema war. So sind die Worte des Meisters „Bei euch soll es nicht so sein!“ für jeden, der auf Jesus hören will, eine Mahnung und ein Auftrag zugleich. Uns allen wird ein Spiegel vorgehalten, wenn Jesus hier auf unerhörte Weise „Macht“ und „Dienen“ miteinander verknüpft. Je mehr uns dieser Gedanke schmerzt, desto ferner sind wir von diesem Ideal. Doch weil diese Verknüpfung durch den Weg des Jesus von Nazareth gedeckt ist, sollten Christen mehr darin erkennen als nur einen frommen ethischen Entwurf.
Natürlich werden wir alle immer hinter diesem moralischen Imperativ zurückbleiben, aber wie oft hat sich gerade auch die institutionalisierte Kirche selbst erschreckend weit diesem biblischen Wort entfernt. Der „Mut zum Dienen“, die Demut, fehlt allerorten! – Der Schweizer Dichter-Pfarrer Kurt Marti hat das mit folgenden Worten aufs Korn genommen: „Wo kämen wir hin! Ja, wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, um zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge.“
Ein unerhörtes Evangelium, ein weiter Weg, aber man wir ja doch mal träumen dürfen …zumindest sonntags!
Bild: Peter Weidemann
In: Pfarrbriefservice.de