Was tun, wenn da etwas ist, was eigentlich nicht sein darf - die eigene Berufung zu entdecken und zu leben, stellt Frau Straub vor hohe Hürden.
Was tun, wenn da etwas ist, was eigentlich nicht sein darf? Diese Frage stellte sich damals der Jugendlichen Jacqueline Straub und dieser Frage musste sie sich stellen. Der Reihe nach: Aufgewachsen ist sie in einem liberalen katholischen Umfeld mit katholischem Kindergarten, Religionsunterricht, Erstkommunion, regelmäßigem – aber nicht erzwungenen – Kirchgang. Ministrantin wollte sie ursprünglich nicht werden, da der Pfarrer sehr streng war und sie auch erlebte wie die Begeisterung für diesen Dienst bei ihren Mitschülerinnen und -schülern relativ schnell verblasste. Zwangsweise blieben jene aber dann noch dabei. Das wollte sie sich nicht antun. Ein Erlebnis im Ferienlager, wo sie ein Gebet formulieren durfte und dafür die Rückmeldung erhielt, sie würde eine gute Pfarrerin werden. Einige Zeit nach der Firmung und mit 17 Jahren entschied sich Jacqueline Straub, dann doch Ministrantin zu werden, quasi als „Spätberufene“. Sie engagierte sich in der kirchlichen Jugendarbeit und spürte mehr und mehr, besonders bei religiösen Freizeiten und Jugend-Wallfahrten, bei Gesprächen und im Gebet, dass Gott sie berufen haben. Nur – und jetzt kommt der Haken – zur katholischen Priesterin.
Die über 40 Besucherinnen und Besucher des Bildungsabends am 25. Juni in St. Markus freuten sich über die ehrliche Aussage zur Berufung, die die junge Theologin empfindet, nickten mit dem Kopf, waren vielleicht auch etwas irritiert. Widerstand oder Protest gab es nicht. Dennoch, kann es etwas geben, was es nach den gültigen Lehrsätzen offiziell nicht geben darf? Kann das sein, dass Jesus Christus eine Frau in den Dienst als Priester beruft? Würde man bei einem jungen Mann über den Berufswunsch Priester applaudieren, so wird einer Frau in derselben Situation oft der Rat gegeben, in die Psychiatrie zu gehen und den Geisteszustand untersuchen zu lassen, so die Referentin.
„Ich bekomme regelmäßig E-mails von Frauen und Männer, die beleidigen und oft unter die Gürtellinie gehen. Manche beten für mich, dass ich wieder auf den rechten Weg komme, andere beschimpfen mich, der eine oder andere meint ich sei besessen und würde für mich eine Teufelsaustreibung vornehmen.“ Vielleicht liegt es an ihrem ungewöhnlichen Hobby als Boxerin, denn sie meint: „Ich kann die Schläge wegstecken, ich habe dazu die Kraft, und versuche das weg zu beten.“
Im Theologiestudium setzte sich Jacqueline Straub mit ihrer Berufung auseinander, merkte aber auch, dass dies nicht überall Begeisterung auslöste. „Ich solle doch evangelisch werden, mach Dich nicht kaputt, es hat ohnehin keinen Sinn oder wenn du Priesterin wirst, dann werde ich aus der Kirche austreten, waren die Standardantworten, die ich von den Mitstudentinnen und -studenten erhielt.“ Daneben erfuhr Jacqueline Straub auch Begeisterung, Professorinnen und Professoren, die sie ermutigten, nicht aufzugeben, aber auch deutlich machten, dass sie sich mit dieser Haltung die Möglichkeit eines kirchlichen Berufes verbaue.
Das Studium nutzte sie, um ihre Berufung zu überprüfen, aber auch theologisch zu untermauern. Setzte sich, so Straub, doch die Kirche schon früh für eine Gleichberechtigung ein, warum sollte das nicht auch innerhalb möglich sein? Paulus sei ihr eine wichtige Grundlage, schreibe er doch klar im Galaterbrief, dass es in der christlichen Gemeinde keine Unterschiede gebe, weder Grieche noch Jude, weder Frau noch Mann, da alle eins seien in Christus. Diese Haltung weitergedacht führe dazu, dass ein Ausschluss der Frau vom Amt nicht möglich wäre.
Gern, so Straub, würden die großen Theologen ins Feld geführt wie Augustinus, der davon sprach eine Frau können nicht geweiht werden, weil sie mit ihrem Körper nur die Sexualität repräsentiere und nicht Gott, oder Thomas von Aquin, der in der Frau nur einen Misslungenen Mann sehe, machten in der heutigen Zeit betroffen. Schlimm ist es allerdings, dass dieses krude Bild der Frau immer noch im Hintergrund aktueller kirchlicher Erklärungen zur Zulassung von Frauen zum Priesteramt, zu hören ist. Auch archaische Auffassungen von der Unreinheit würden in diesem Bereich noch eine tragende Rolle.
Ganz im Gegensatz steht dazu ein Bericht der päpstlichen Bibelkommission in den 80iger Jahren. 12 der 17 Mitglieder der Kommission waren der Meinung, dass die Feier der Eucharistie Frau anvertraut werden kann, ohne dabei gegen den Willen Jesu Christi zu handeln. Es zähle also ausschließlich das Argument der Tradition, die jedoch schon immer einem starken Wandeln ausgesetzt ist. „Eine Frau, die sich berufen fühlt und mit ganzem Herzen diesem Dienst nachkommen würde, was wäre denn so schlimm daran?
Ihr geht es um die Eucharistiefähigkeit der Gemeinde. Das Sakrament darf den Menschen nicht verweigert werden, weil es ein Gesetz gebe, dass der Priester zölibatär leben muss, oder keine Frau sein darf. Deutlich wurde in ihren Ausführungen, dass die Kirche in einer Frauenkrise steckt. Nicht wenige Frauen, die sich viel engagiert hätten, haben sich aus Frustration abgewandt oder sind aus der Kirche ausgetreten. Die Schilderungen von Verletzungen, die sie und andere Frauen in der Kirche erfahren haben, machten betroffen. Eine Stelle als Hochschulseelsorgerin hatte sie nicht erhalten, weil sie von ihrer Position nicht abrücken möchte, zur Priesterin berufen zu sein. Dennoch gibt sie die Hoffnung auf Veränderung nicht auf und gibt sich auch als Sportlerin kämpferisch. „Noch habe ich die Kraft dazu.“
Jacqueline Straub kennt die Anfragen und Sehnsüchte, die besonders junge Menschen in der heutigen Zeit stellen. Sie sieht aber auch, dass viele sich von der Kirche abgewandt haben. „Wenn die Kirche nicht noch mehr Gläubige verlieren will, muss sie den Mut zur Veränderung haben.“ So geht es der jungen Theologin um eine Kirche, die die Menschwerdung Gottes in allen Bereichen durchspielt. „An Weihnachten wurde Gott Mensch und nicht Mann.“ Dazu gehöre, dass sich das auch in den Strukturen widerspiegle, damit die Kirche wieder Vertrauen zurückgewinnen kann.
Ihr ist es bewusst, dass es keine einfachen Lösungen gibt. So war es eigentlich schade, dass bei der Diskussion keine kritischen Stimmen zu hören waren. Man war auf der Seite der Referentin, nahm ihr ihre Berufung ab und erkannte die Schlüssigkeit ihrer Argumentation. Vielleicht hätte es gutgetan, die Ängste und Einwände all jener zu hören, die im Vorfeld nicht gerade begeistert von der Ankündigung des Vortrags gewesen waren. Jacqueline Straub ist gegen ein pauschales Schwarz-weiß-Denken und setzt auf Dialog. Sie setzt sich für ihre Berufung ein und schreibt regelmäßig Briefe an Papst Franziskus. Gegen Vorurteile und falsche Behauptungen möchte sie mit Wissen angehen. „Ich bin noch jung und hoffe lange leben zu können, damit doch noch meine Berufung in Erfüllung geht.“
Wolfram Rösch