Am Aschermittwoch fängt eine neue Zeit an
März 2, 2022

Am Aschermittwoch fängt eine neue Zeit an

40 Tage stehen für eine Zeit, in der Menschen ihren Weg finden, auch Geduld lernen, auf jeden Fall einem Ziel folgen. Beharrlich. Auch durch Versuchungen, Ängste und Resignation hindurch. 40 Tage stehen auch für eine Zeit, in der Menschen miteinander wachsen, einander behüten und durch dick und dünn gehen.

Von Aschermittwoch bis Karsamstag sind es, zieht man die Sonntage als „Ostertage“ ab, 40 Tage. 40 Tage war Jesus in der Wüste. 40 Jahre war das Volk Israel auf dem Weg in das verheißene Land. 40 Tage stehen für eine Zeit, in der Menschen ihren Weg finden, auch Geduld lernen, auf jeden Fall einem Ziel folgen. Beharrlich. Auch durch Versuchungen, Ängste und Resignation hindurch. 40 Tage stehen auch für eine Zeit, in der Menschen miteinander wachsen, einander behüten und durch dick und dünn gehen. So gesehen und in große Erfahrungen eingebettet, beginnt mit dem Aschermittwoch tatsächlich eine neue Zeit.
Was uns alle heute ein wenig erschauern lassen kann, ist das durch das Aschekreuz hervorgerufene Bewusstsein, dass unser Weg einmal endet. Ein wenig Druck mag das vielleicht erzeugen angesichts der Pläne und Wünsche, die wir uns vorgenommen haben.
Halten uns die 40 Tage Fastenprogramm nicht davon ab, den schon eingeschlagenen, für uns scheinbar notwendigen, Weg zielstrebig weiterzugehen? Sobald dieser Weg jedoch für uns zur Gewohnheit geworden ist, je länger der zurückgelegte Weg wird, desto mehr spüren wir den Zwang, ihn einfach nur stur weitergehen zu müssen. Es ist, als hätte uns der bereits zurückgelegte Weg in seiner Gewalt, dieser Lebensweg. Hier können der Aschermittwoch und die Fastenzeit zu einer rettenden Weggabelung werden, zu einer bewussten Entscheidung, das eigene Ich, von der Illusion zu befreien, dass es alles erreichen kann, wenn nur der Wille da ist und genug Härte und Druck gegen sich selbst und auf das Umfeld ausgeübt wird. Das Fasten kann dabei helfen, mit diesen unmenschlichen, selbstgezimmerten Strategien aufzuräumen, denn es ist ein Einüben ins Sterben, ein Loslassen des Überflüssigen, ein langsames Erspüren der letzten Fragen des Lebens und das langsame Finden der wirklich tragenden Kräfte und der nie versagenden Zuwendung Gottes zum Menschen. Fasten lenkt den Blick auf das Wesentliche im Leben und auf Gott. Das Erkennen und mutige Loslassen von festen Vorstellungen und Plänen kann schließlichinneren Frieden und Freude schenken.

Dass der Höhepunkt des Kölner Straßenkarnevals abgesagt und stattdessen eine Friedensdemo organisiert wurde, ist bspw. so ein Loslassen von Geplantem. Ernst statt ausgelassene Freude zeigt die Anteilnahme und Unterstützung mit denen vom Krieg Gepeinigten. Viele trugen gelb blaue Kleidung, um ihre Solidarität mit der Ukraine zu bekunden.
Was mich ebenfalls beeindruckte in diesen Tagen, war eine Betrachtung von Pfarrer Kocher, dem Programmdirektor von Radio Horeb. Er rief vor einem Jahr zum Fasten bei Wasser und Brot auf, immer freitags. Dabei spürte er, dass man nicht zum Fasten aufrufen kann, ohne selbst mitzumachen. Als er dann auch das Fasten begann, fiel ihm sein Vater ein, der in den letzten Kriegstagen als 16-Jähriger noch in den Krieg eingezogen worden war und sich nach dem Zusammenbruch bettelnd und hungernd durch das zerstörte Deutschland Richtung Heimat durchgeschlagen hat – froh um jedes Stück Brot, das ihm mildtätige Hände reichten.

Verzicht hilft, sich in die Menschen hineinzuversetzen, die nicht das tägliche Brot haben. Im Fasten wird man wacher im Hören nach innen, auf das, was Gott einem gerade jetzt sagen möchte.

So wünsche ich Ihnen und mir, dass wir in den kommenden 40Tagen der Fastenzeit, unsere Herzen offen halten für die Stimme Gottes, dass wir unsere vorgefertigten Pläne zusammen mit Gott neu anschauen, mit ihm und schließlich auch dem Nächsten wieder neu ins Gespräch kommen. Eine gesegnete Fastenzeit wünsche ich Ihnen von Herzen.

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Sebastian Kothe

Pfarrvikar - Dekanat Schwäbisch Hall

wohnhaft in Michelfeld

sebastian.kothe@drs.de