Der christliche Glaube spricht davon, dass in jedem Menschen Gottes Antlitz zu sehen ist. Das Christentum ist eindeutig: jeder Mensch ist unverwechselbar und einzigartig, denn in jeder Frau, in jedem Mann, in jedem Kind ist Gott zu entdecken.
Von Prokrustes erzählt uns die griechische Sagenwelt. Er war ein Riese und Straßenräuber. Anscheinend ganz selbstlos bot er Reisenden ein Nachtlager an. Nicht alle passten natürlich in das Bett, weil Menschen unterschiedlich groß sind. Prokrustes zog die Wanderer, die zu kurz waren, einfach in die Länge, den zu groß geratenen hackte er die Beine ab. Diese Prozedur überlebte niemand. „Was nicht passt wird passend gemacht“.“ In diesem Ausspruch lebt der Riese weiter.
Prokrustes hat es natürlich nie gegeben. Die Erzählung ist ein Mythos, der mit kräftigen Bildern das ausdrücken will, was die Menschen damals bewegte. Die Aussage ist nach wie vor aktuell, denn es geht darum, dass der Mensch sich anzupassen hat: an die Arbeit, an das Tempo der Welt, an das, was der Markt vorgibt und an die gesellschaftlichen Leitbilder. Auch die Religion ist davon nicht immer ausgenommen. Es gibt Gesetze und Normen. Wer da nicht reinpasst fällt unten durch.
Der christliche Glaube kann da eine Gegenbewegung sein. Weder steht da ein furchterregendes Wesen, noch ein Gewalttäter im Mittelpunkt, sondern Jesus, in welchem Gott selbst – so glaube ich – sichtbar und erfahrbar geworden ist. Gott passt sich an, wird selbst Mensch. Das heißt, Gott fühlt, spürt, leidet und empfindet wie wir. In Jesus ist die göttliche Nähe sichtbar geworden. Deutlich ist das für mich in seinen Worten und seinen Handlungen zu erleben. Bei Jesus geht es um den Menschen mit seinen Fragen, Hoffnungen und Sehnsüchten.
Der Mensch muss nicht mehr passend gemacht werden. Im Gegenteil: der christliche Glaube spricht davon, dass in jedem Menschen Gottes Antlitz zu sehen ist. Für mich ist das die ganz große Provokation meines Bekenntnisses. Mein Glaube fordert mich heraus, diesen Gedanken wirklich durch zu spielen. Das ist nicht immer leicht. Nicht alle Menschen sind mir gleich sympathisch. Nicht selten möchte ich sie mir wie Prokrustes passend machen. Sie haben so zu denken und zu ticken wie ich. Aber das Christentum ist da eindeutig: jeder Mensch ist unverwechselbar und einzigartig, denn in jeder Frau, in jedem Mann, in jedem Kind ist Gott zu entdecken.
Ich spüre in Jesu Botschaft eine große Weite – trotz mancher Einengung, die ich durch meine Kirche erfahren muss. Ich höre seinen Impuls zur Menschlichkeit, den er vorgelebt hat. Jesus hat Frauen, Männer aus all den Zwängen und Zuschreibungen befreit, in die sie andere eingepasst haben. Der Mensch ist zur Freiheit berufen, das lehrt mich mein Glaube. Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen, nicht nur an diesem Wochenende.
Bild: Johannes Simon, Pfarrbriefservice.de
Mein Schwerpunkt ist St. Markus. Mir ist es wichtig, Formen zu finden, den Glauben zeitgemäß zu verkünden. Das versuche ich im Gottesdienst, in der Predigt, in den Bildungsangeboten und beim Schreiben von Artikeln. Ich möchte die Menschen anregen, Gott in ihrem Leben zu entdecken. Ein wichtiger Punkt in meiner Arbeit ist die Feuerwehr- und Notfallseelsorge, wo ich auch als aktiver Feuerwehrmann Menschen in absoluten Grenzsituationen beistehen kann. Ich bin verheiratet, meine Frau ist ebenfalls Pastoralreferentin. Wir haben drei erwachsene Söhne.