Trotz aller technischen Möglichkeiten ist die Ernte auch ein Geschenk, zu wertvoll, um einen Teil davon wegzuwerfen, weil vielleicht einfach zu viel auf das Buffet gestellt wurde.
Das Erntedankfest, das wir kommenden Sonntag feiern, hat seinen festen Platz im Jahreskreis der christlichen Kirchen und zählt zu den ältesten Festen überhaupt. In ähnlicher Form gibt es Erntedank auch in anderen Religionen, z.B. das jüdische Schawuot.
Doch ist das Erntedankfest noch zeitgemäß? Ist es nicht irgendwie aus der Zeit gefallen? Passt die Idylle eines schön gerichteten Erntedankaltars zu einer hochtechnisierten Nahrungsmittelindustrie, bei der der Mensch scheinbar alles selbst machen und steuern kann? Passt der Gedanke, dass wir uns bei Gott für etwas bedanken, dass wir nicht selbst geschaffen haben zu Nahrungsmitteln aus dem Labor?
Als Schuldekan versuche ich die Perspektive der Kinder und Jugendlichen einzunehmen. Diese finden, zumindest bei uns, eine (von der Erwachsenengeneration geschaffene!) Umgebung vor, in der selbstverständlich alles da und vorrätig ist. Zu jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter. Eine Umgebung, in der die Fastfoodkultur in vielen Bereichen eine Tischkultur abgelöst hat.
Und genau hier setzt das Erntedankfest einen wichtigen Akzent: Einen Sonntag dankbar auf das schauen, was uns das Leben ermöglicht, zu überlegen, wo Nahrungsmittel herkommen, unter welchen Bedingungen sie produziert wurden, zu welchem Preis, ob die Ernte gerecht verteilt ist. Bewusst machen, dass Ernte trotz aller technischen Möglichkeiten auch ein Geschenk ist, zu wertvoll, um einen Teil davon wegzuwerfen, weil ein Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht ist oder zu viel auf das Buffet gestellt wurde. Dass hinter den Nahrungsmitteln harte Arbeit steckt, sich jemand Mühe gemacht hat beim Säen, Kultivieren und Ernten, dass Essen mehr sein kann als satt werden.
Die Bibel formuliert es wunderbar:
Es gibt für Menschen nicht Besseres als essen und trinken und genießen, was er sich erarbeitet hat. Doch dieses Glück hängt nicht von ihm selbst ab: Es ist ein Geschenk Gottes. (Prediger 2,24)
Im Zusammenhang mit der christlichen Idee von Gerechtigkeit und dem Respekt vor der Schöpfung ist Erntedank ein Gedankenmodell, das den Kindern und Jugendlichen eine hoffnungsvolle Zukunftsperspektive eröffnen kann: Nachhaltig mit der Schöpfung umgehen. Das was im Grunde ausreichend vorhanden ist gerecht verteilen und dankbar für das sein, was uns am Leben hält.
Ein besseres Fest als das Erntedankfest kann ich mir kaum vorstellen. Denn das Erntedankfest wird nicht irgendwie begangen, sondern gefeiert. Feiern Sie gerne mit und laden Sie Ihre Kinder und Enkel dazu ein! Denn es passt besser in die Zeit denn je.
Bild: Martin Manigatterer In: Pfarrbriefservice.de