Es ist bunt geworden in diesen Tagen.
Es ist bunt geworden in diesen Tagen. Die Wälder sind grün und dicht. Da freuen sich die Tiere besonders. Die Wiesen und Gärten werden jeden Tag ein Stück farbiger und der Löwenzahn blüht momentan mächtig gelb. Über Letzteren freuen sich Gartenbesitzer allerdings nur, wenn er das anderswo tut. Aber trotzdem ist das alles in allem eine unglaubliche Augenweide. Zum Maibeginn ist heuer noch eine andere Buntheit dazugekommen: die Menschen. Die gab’s bisher zwar auch: mit bunten Mai-Festen. Dieses Jahr aber ganz anders: mit buntem Mundschutz. Das geschieht nicht freiwillig und ist auch nicht gerade ein Zeichen von Lebensfreude. Doch diese zumeist kreativen Utensilien bringen eine ungewohnte Farbigkeit in den Alltag. Schöner wäre es natürlich, in sichtbar lachende Gesichter zu blicken. Aber ganz ehrlich: der Mundschutz erspart uns auch manch griesgrämige Miene. Die Herausforderung besteht momentan unter anderem also darin, zu erkennen, wer mir gegenübersteht und mit welchem Gefühl mir mein Gegenüber begegnet. Da muss man schon sehr genau hinschauen.
Genau hinschauen: Das ist die große Tugend der Menschen mit einer kontemplativen, betrachtenden Lebensweise. Wer sein Leben nicht von Stress, Betriebsamkeit, Erfolg bestimmen lässt, sieht, hört und spürt bekanntlich mehr als andere. Wer genau hinschaut und aufmerksam hinhört, wird gerade im Frühling jeden Tag mit neuem erblühendem Leben belohnt. Vielleicht haben auch Sie – bedingt durch die erzwungene Entschleunigung und Ablenkungs-Reduktion – manch Schönes bewusster entdeckt oder erlebt. Vielleicht heißt gerade in diesen ungewohnten Tagen das Gebot der Stunde mehr denn je „Geh aus, mein Herz, und suche Freud!“ Lassen wir uns beschenken von dem, was uns der Alltag an Freudigem beschert. Denn ganz egal, was unser Leben beeinträchtigt und erschwert, es gilt das Versprechen Jesu: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Johannes 10,10) Mit diesem Zitat endet das Evangelium des kommenden Sonntags. Gleichzeitig beginnt mit dieser Zusage unsere eigentliche Aufgabe: genau hinschauen und so die Fülle des Lebens (neu?) entdecken. Ich wünsche Ihnen dabei viel Freude, überraschende Erlebnisse und einen erfüllenden Sonntag.
Religionspädagogik-Studium in Freiburg i.Br.
Kirche: leben – leiden – lieben. Quasi von Geburt an und seit 1994 auch hauptberuflich in Aldingen/Aixheim, Esslingen a.N., Schwäbisch Hall.
Zwischen ignatianisch geprägter Spiritualität, Ökumene und Kirchenkabarett (www.maulflaschen.de).
Und sonst? Familie, Garten, Musik, Theater, Natur … oder: ein Leben in Fülle!