Halbschlafend registrierte sie ein klingelndes Geräusch, irgendein Läuten. Mitten in der Nacht, noch stockdunkel, traf den Wecker keine Schuld.
Um diese Zeit war sie für niemanden zu sprechen, sollte ein Anrufer es zu einer günstigeren Tageszeit aufs Neue versuchen.
Ungestört weiterschlafen wollte sie, sonst nichts.
Allmählich begriff sie, dass das Geklingel von der Eingangstür herrührte.
`Robert, stell endlich den Lärm ab.‘ Sie tastete nach ihrem Mann. `Robert, wo steckst du?‘
Ihr Griff fasste in ein leeres Bett. Mit einem Schlag war sie hellwach. Wo ist Robert?
Draußen läutet es an der Tür, ein beharrliches Klingeln. Einen kurzen Moment der Stille, dann neuerliches Klingeln. Nirgendwo in der Wohnung fand sie Robert, und draußen läutete jemand unerbittlich.
Als sie die Tür öffnete, stand er vor Kälte zitternd vor der Tür, denn er war splitternackt. Robert mochte keine Schlafanzüge tragen.
`Eine halbe Stunde schon stehe ich draußen vor der Tür, läute mir den Finger krumm, aber du machst mir nicht auf. Sogar der Nachbar kam schon raus, fragte, ob er mir helfen könne.‘
`Was machst du draußen auf dem Gang, wieso bist du nackt hinaus?‘
`Ich bin aufgewacht und musste aufs Klo, dabei habe ich die Tür verwechselt, da war es auch schon zu spät und ich stand draußen.‘
Nunmehr war er durchgefroren und seine Frau längst hellwach.
Mit diesem kleinen Text aus Manfred Chobot, Stadtgeschichten. Erzählungen mit Fotos von Manfred Horvarth, lade ich Sie herzlich ein, den Advent 2023 mit einem Schmunzeln auf den Lippen zu beginnen.
Ich hoffe nicht, dass Ihnen ähnliches passiert, aber es ist auf jeden Fall eine adventliche Geschichte, in der wunderbar zum Ausdruck kommt, dass da einer vor unserer Tür stehen kann, mit dem wir nicht rechnen und der vielleicht nur darauf wartet, dass wir ihm aufmachen.
Vielleicht ist es ein Hilfsbedürftiger, vielleicht der Nachbar, der Hilfe und Unterstützung braucht. Vielleicht steht vor unserer Tür ein Kranker, der ein ermutigendes Wort braucht oder ein Arbeitsloser, der um Anerkennung ringt.
Könnte der Advent in diesem Jahr nicht eine solche Zeit der besonderen Wachsamkeit sein, in der wir die Fühler nach Menschen ausstrecken, die besonders hilfs- und schutzbedürftig sind.
Vielleicht kann uns die kleine Begebenheit aus Manfred Chobots Stadtgeschichten helfen, in diesem Advent wachsam zu sein, um sichtbare Zeichen der Menschlichkeit und Nächstenliebe zu setzen, damit Weihnachten ein Fest der Menschwerdung Gottes mitten unter uns, mitten in unserer oft unerlösten und unfriedlichen Welt sein kann.
In dem Sinn wünsche ich uns alle Wachsamkeit des Herzens, damit der Advent schon jetzt weit vor Weihnachten ein Segen für uns alle sei!