Wahrscheinlich verstehen am ehesten die, die selbst lange krank waren, was das bedeutet: aufgerichtet werden, wieder eine Perspektive haben und den Blick nach vorne richten können! Wie heilsam muss das sein!
Mutmacher
Auf der Intensivstation im Diak ist über jedem Bett an der Decke eine Sonne aufgemalt. Immer, wenn ich das sehe, wird mir noch einmal besonders klar, was es bedeutet, krank zu sein und über lange Zeit das Bett nicht verlassen zu können. Wenn ich den Blick immer nur an die Decke richten kann, dann tut es gut, wenn da wenigstens ein bisschen Farbe zu sehen ist und ein Symbol, das Mut macht.
Immer nur die Decke ansehen können. – Sicher hängt es auch mit dieser Vorstellung zusammen, dass ich bei der Erzählung aus dem Markusevangelium, die wir am Sonntag in den katholischen Gottesdiensten hören werden, gleich an einem Satz hängenbleibe: Jesus ist im Haus seiner beiden Jünger Simon und Andreas zu Gast. Die Schwiegermutter des Simon liegt mit Fieber im Bett, und Jesus geht zu ihr, fasst sie an der Hand, und – er richtet sie auf.
Aufgerichtet!
Wahrscheinlich verstehen am ehesten die, die selbst lange krank waren, was das bedeutet: aufgerichtet werden, wieder eine Perspektive haben und den Blick nach vorne richten können! Wie heilsam muss das sein! Aber vielleicht ist das in diesen Wochen mit Corona auch etwas, das viele von uns im Grunde ganz ähnlich erfahren: Die Einschränkungen, auch wenn sie nötig und sinnvoll sind, manche Sorgen, fehlende Kontakte – all das hält unseren Blick gefangen. Eine Sehnsucht nach neuen Perspektiven ist da auch in uns. Wir ahnen, wie heilsam es wäre, wieder nach vorne schauen und die Zukunft in den Blick nehmen und gestalten zu können. Und wir spüren in dieser Zeit ja auch wieder neu und sehr genau, was uns wirklich wichtig ist für unser Leben. Wir spüren, welchen Dingen wir mehr Raum geben möchten, wenn wieder ein „Alltag“ möglich sein wird.
Dem Leben trauen
Der Jesuit Alfred Delp war einer, der mitten in der Zeit der Nazi-Diktatur und des Krieges gemeinsam mit anderen den Blick in die Zukunft gerichtet und überlegt hat, wie das Leben „danach“ gut gestaltet werden könnte. An seinem letzten Weihnachtsfest, kurz vor seiner Hinrichtung am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee, hat der 37jährige im Gefängnis diesen Satz geschrieben: „Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.“
Das ist auch meine Hoffnung, ein klein wenig vielleicht wie die Sonne über den Krankenbetten auf der Intensivstation: Gott geht mit uns und richtet uns immer wieder auf, damit wir nach vorne schauen können. Damit wir träumen und planen können, und Visionen davon entwickeln und umsetzen, wie unser Leben und Zusammenleben – im Kleinen wie im Großen – gelingen kann. Jetzt und in Zukunft.
Gabriele Hüben-Rösch
Pastoralreferentin
Kath. Klinikseelsorgerin im diakoneo Diak-Klinikum Schwäbisch Hall
Foto: pfarrbriefvservice.de