„Ich bereue nichts!“
Oktober 14, 2023

„Ich bereue nichts!“

Es gibt den merkwürdigen Trend, im Rückblick auf eine Lebensphase oder gar ein ganzes Leben, zu resümieren: „Ich bereue nichts!“

In der vordergründigen Leichtigkeit kann diese Aussage sicher spontan Sympathie erwecken: Da scheint jemand mit sich im Reinen.

Dabei ist, was so leicht und locker klingt, zumindest wenn die Aussage ernst gemeint ist, eine moralische Bankrotterklärung. Der Einstellung hinter dieser Aussage ist entgegenzuhalten: Wer nichts bereut, hat nicht richtig gelebt. Und zwar nicht in dem Sinn, dass zu einem richtigen Leben auch ein falsches Verhalten, das also zu bereuen wäre, zählen würde. Fehler machen wir jedoch alle. Soweit, so schlecht. Wir halten uns künstlich klein, wenn wir das nicht anerkennen. Wer jedoch zu seinen Fehlern keinen Abstand gewinnt und sie bereuen kann, der bleibt ihnen verhaftet. Daraus ergibt sich die fatale Dynamik, die ein Leben in eine Sackgasse führen kann. Wir leben nur richtig, wenn wir unsere Mängel wahrnehmen, wenn wir Sünde bereuen und so die in der Reue liegende Kraft annehmen, die wir brauchen, um nicht nur ehrlicher, sondern auch besser zu werden. Wer meint, nichts bereuen zu müssen, weist einen Mangel an Selbstreflexion und damit letztlich an Selbstbewusstsein auf, auch wenn vordergründig ein gesundes Ego zum Ausdruck gebracht werden soll.

Im Gegensatz zu dem genannten Trend kann die Einsicht, dass Reue etwas Gutes ist, eigentlich als allgemein anerkannt gelten. Zumindest wird in Berichten aus Gerichtssälen gelegentlich auf die nicht vorhandene Reue des verurteilten Straftäters verwiesen, wenn dessen besondere Boshaftigkeit hervorgehoben werden soll.

Aber wenn es um uns selbst geht, um Fehler, die vor einem weltlichen Gericht keine Relevanz besitzen, erscheint die Reue offensichtlich manchmal als Symptom der Schwäche. Obwohl es doch so naheliegend ist, in ihr den Impuls zur Umkehr und zum Neuanfang zu erkennen.

Von Jesus ist in Bezug auf eine reumütige Sünderin der Satz überliefert: „Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat.“ Und die Aussage geht in einer interessanten Weise weiter: „Wem aber nur wenig vergeben wird, der liebt wenig“ (Lukasevangelium 7,47). Wenn nun aber Liebe und Vergebung in dieser engen Weise aneinandergebunden sind und die Reue wiederum die Voraussetzung der Vergebung ist, dann wird umso mehr deutlich, dass die Reue ein gewaltiges Potential hat, weil sie die Voraussetzung ist für die Erlangung dessen, was unser aller Ziel ist: die Liebe.

Bild: Friedbert Simon
In: Pfarrbriefservice.de

 

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Michael Gerstner

Leiter und Geschäftsführer der keb Katholische Erwachsenenbildung Kreis Schwäbisch Hall

Studium der Katholischen Theologie und der Philosophie in Jerusalem, München und Tübingen. An meiner Tätigkeit gefällt mir, dass ich Ideen in die Tat umsetzen kann, dass ich interessante Menschen zu Vorträgen einladen darf, dass ich Gespräche moderieren und mit Teilnehmern ins Gespräch kommen kann, dass ich auch selbst Impulse setzen darf und Vieles mehr!
Ich bin verheiratet mit einer Religionslehrerin. Wir haben zwei Kinder und leben in Crailsheim.

michael.gerstner@drs.de