Jesus zerlegt Schriftgelehrte
Juli 6, 2024

Jesus zerlegt Schriftgelehrte

Angenommen, Jesus und die Schriftgelehrten wären Fußballmannschaften. Anhand der Überschrift würden wir dann schließen: Jesus hat souverän gewonnen.

Bei sportlichen ‚Zweikämpfen‘ geht es darum, dass man den Gegner besiegt oder niederringt. Der Verlierer ist enttäuscht, der Sieger jubelt und letztlich geht man trotzdem in sportlicher Freundschaft vom Platz. Unter dem Titel, „N.N. zerlegt N.N.“ findet man aber auch politische Social-Media-Videos. Meistens geht es dabei um das ‚Zerlegen‘ von Mitgliedern der Bundesregierung. Da frage ich mich: ist der Zweck einer inhaltlichen Auseinandersetzung, dass einer den anderen fertigmacht? Ist es ein Zeichen von Größe, jemanden klein zu machen? Hat eine Seite mehr recht, wenn sie die Gegenseite besiegt? Und: hat Jesus in seinen Diskussionen die Schriftgelehrten ebenfalls ‚zerlegt‘?

Zugegeben, auch Jesus findet manchmal drastische Worte in Auseinandersetzungen mit Pharisäern. Dennoch ist nicht das Runtermachen sein Ziel, sondern das Ringen um die Wahrheit. Er will von seinem Weg, seinem Gottesbild und seiner Schriftauslegung überzeugen. Er sagt nicht: „Ihr erzählt Quatsch!“ Er setzt seine Gedanken schlicht der Lehrmeinung gegenüber. Dadurch laufen viele Fragen und Argumente der Schriftgelehrten ins Leere. Seine Botschaft überzeugt so bis in unsere Zeit.

Ich wünsche mir, dass in politischen Fragen das Ringen um die Wahrheit wieder in den Mittelpunkt rückt. Dass es um das Gemeinwohl geht und nicht um das Besiegen der Gegner. Wer ‚zerlegende‘ Videos oder ‚vernichtende‘ Texte (Auch Leserbriefe.) erstellt, und wer das beklatscht, macht sich mitschuldig an gewalttätigen Übergriffen. Menschen, die sich politisch engagieren, haben aber vielmehr unsere Wertschätzung verdient.

Auch in der Fußball-EM machen martialische Gesten und Überheblichkeit manche Mannschaften unbeliebt. Wer sich dagegen fair und ein Stück weit demütig zeigt, dem gönnt man auch den Sieg. Ich hoffe, dass Fairplay, Demut und das Ringen darum, dass sich das Beste durchsetzt, unsere Grundlagen bleiben – im Sport, in der Politik und im Alltag. Das wäre für mich das Sommermärchen 2.0!

post.meta('autor').title

Ulrich Müller-Elsasser

Gemeindereferent in Schwäbisch Hall und Klinikseelsorger am Diak Schwäbisch Hal

Religionspädagogik-Studium in Freiburg i.Br.

Kirche: leben – leiden – lieben. Quasi von Geburt an und seit 1994 auch hauptberuflich in Aldingen/Aixheim, Esslingen a.N., Schwäbisch Hall.

Zwischen ignatianisch geprägter Spiritualität, Ökumene und Kirchenkabarett (www.maulflaschen.de).

Und sonst? Familie, Garten, Musik, Theater, Natur … oder: ein Leben in Fülle!

Ulrich.Mueller-Elsasser@drs.de