Man könnte meinen, man gewöhne sich an die vielen negativen Schlagzeilen die katholische Kirche betreffend.
Man könnte meinen, es würde mir langsam nichts mehr ausmachen, wieder und wieder darauf angesprochen zu werden. Bald liegen sie erneut auf meinem Schreibtisch – die Namen derer, die nun endgültig die Nase voll haben und aus der Kirche ausgetreten sind. Ich gewöhne mich nicht daran. Im Gegenteil: es ist schwer auszuhalten!
Meist unausgesprochen schleicht sich bei uns pastoralen Mitarbeitern auch manchmal ein Zweifel ein. Halten wir durch unser Bleiben Strukturen aufrecht, in denen es weniger um den Glauben als um Ansehen geht? Oft kann ich diesen Gedanken nur aushalten indem ich ihn beiseiteschiebe und mir sage, wie viel Gutes an der Basis der Kirchen passiert. Das ist sicher ein richtiger Gedanke, aber er darf nicht zur Ausrede werden. Missbrauch und Ausgrenzung von Menschen aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung sind nicht wegzudiskutieren mit dem Hinweis auf Seelsorge und caritative Arbeit.
Also was nun? Gehen oder Bleiben? Ich kann ein Dickkopf sein. Ich bin der Meinung, dass gerade die Falschen gehen! Schaue ich in den Bibeltext dieses Sonntags, dann entdecke ich im Lukasevangelium eine Botschaft zum Aushalten. „Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd.“ Oft wird die Stelle ausgelegt im Sinne einer selbstlosen Opferbereitschaft. Aber es geht auch um die soziale Verantwortung derer, die die Wahl haben. Es geht um gewaltfreien Widerstand. Konkret heißt das nicht, dass wir Christen akzeptieren sollen, was im Namen des Glaubens Schlimmes getan wird – im Sinne der zweiten Wange hinhalten. Es geht darum, dass wir bleiben, wenn Unrecht geschieht und dafür Verantwortung übernehmen. Es ist an der Zeit, dass die Kirche ihr letztes Hemd gibt, denn es zählt nicht das schöne Gewand, sondern alles, was darunter den Menschen ausmacht.
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In: Pfarrbriefservice.de
