Land der Dichter und Quengler
Juli 14, 2023

Land der Dichter und Quengler

Was ist unsere Grundstimmung - dichten und denken oder nörgeln und quengeln? - Jesus hat ein Angebot.

Wenn man jemandem ein gelbes Blatt mit einem kleinen Bleistiftpunkt darauf zeigt und fragt: „Was siehst Du?“ antworten die meisten: „Einen schwarzen Punkt!“ Das ist nicht falsch. Doch wäre es nicht richtiger zu sagen: „Ein gelbes Blatt!“? Der Punkt macht nämlich weniger als 1% des Gezeigten aus. Viele haben eine Neigung, das Störende stärker wahrzunehmen als das Schöne. Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Tendenz hierzulande zugenommen hat. Wo man hinhört, gibt es Beschwerden, Unzufriedenheiten, Ärger und Klagen. Die Fixierung vieler Medien auf negative Schlagzeilen und Kritik tut sein Übriges dazu. Man könnte als Fremder meinen, wir lebten in schwierigsten Verhältnissen. Wird das Land der Dichter und Denker zum Land der Nörgler und Quengler? Frohe Gelassenheit ist bekanntermaßen nicht gerade die Stärke von uns Deutschen. Wenn irgendwas nicht nach unseren Wunschvorstellungen läuft, dann werden auch schnell die Schuldigen ausgemacht: zum Beispiel Politiker, Flüchtlinge, Andersdenkende oder auch geheime Mächte. Und am liebsten will man die so schnell wie möglich loswerden.

Das Ganze erinnert mich an folgende Erzählung. Kurz nach der Aussaat kam ein Feind des Landwirtes und säte Unkraut unter den Weizen. Als die Saat gemeinsam aufging, sahen die Mitarbeiter das Unkraut und wollten es sofort ausreißen. Der Landwirt jedoch sah auch das Getreide und entschloss weise: erstmal alles wachsen lassen. Kurz vor der Ernte soll dann das Unbrauchbare entfernt werden. Somit wird verhindert, dass bei den jungen Pflänzchen auch der gute Weizen versehentlich mit ausgerissen wird.

Jesus erklärt mit dieser Beispielgeschichte das Himmelreich. Die Gleichnisse Jesu sind nicht nur für die Menschen vor 2000 Jahren oder für das ewige Leben gemacht. Jesus hat immer betont, dass das Reich Gottes schon begonnen hat. Was also sagt mir dieses Gleichnis für die oben beschriebene Situation. Ich lese darin, dass es hilfreich ist, den Blickwinkel auch oder besonders auf das Gute zu richten. Bei der Fixierung auf das, was nicht läuft (Und da gibt es natürlich genug.), ist die Gefahr groß, dass all das Gelungene und Schöne übersehen und zunichte gemacht wird. Das Kippen der Stimmung ins Negative liegt dann nahe.

Ich glaube, es tut uns gut, wie der Sämann zu handeln: nämlich trotz aller vorhandenen Probleme nicht zu schnell zu (ver)urteilen, was gut oder schlecht / böse ist. Das könnte man später bereuen. Besser ist es, den Blick stärker auf das gelbe Blatt zu richten als auf den schwarzen Punkt. Dadurch entsteht eine positive Grundhaltung, die das Himmelreich ermöglicht. Und es kann eine Kraft entstehen, die zum Dichten und Denken beflügelt. Was für eine schöne Vision! Machen Sie mit? Ich bin überzeugt, viele würden davon profitieren.

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Ulrich Müller-Elsasser

Gemeindereferent in Schwäbisch Hall und Klinikseelsorger am Diak Schwäbisch Hal

Religionspädagogik-Studium in Freiburg i.Br.

Kirche: leben – leiden – lieben. Quasi von Geburt an und seit 1994 auch hauptberuflich in Aldingen/Aixheim, Esslingen a.N., Schwäbisch Hall.

Zwischen ignatianisch geprägter Spiritualität, Ökumene und Kirchenkabarett (www.maulflaschen.de).

Und sonst? Familie, Garten, Musik, Theater, Natur … oder: ein Leben in Fülle!

Ulrich.Mueller-Elsasser@drs.de