Leben, das verwandelt wird
April 2, 2021

Leben, das verwandelt wird

Die Faktenlage ist dürftig: ein weggerollter Stein, ein leeres Grab und verstörte Anhängerinnen und Anhänger, die sich keinen Reim auf das machen konnten, was sie sahen. Sie deuteten es mit ihrer alltäglichen Erfahrung und das konnte nur heißen: man hat den Leichnam weggenommen.

Ostern ist nicht leicht zu erklären. Ich weiß eher, was Auferstehung nicht ist: Diebstahl des Verstorbenen, lebendig machen des Toten wie im Horrorfilm, aufwachen aus einer tiefen Ohnmacht, eine Einbildung der Frauen am Grab.

Man müsse es eben nur glauben, heißt es oft. Wer das nicht schaffe, dem fehle es an Glaubenskraft oder Frömmigkeit. Wer sich aber ernsthaft mit Ostern beschäftigt merkt schnell, dass da eine Grenze entsteht, die sich mit den gewöhnlichen Denkmustern nicht überwinden lässt. Das kann nur im Glauben geschehen.

Der Glaube lässt mich in Bereiche eindringen, die mir sonst nicht zugänglich sind. „Ich glaube Dir, ich vertraue Dir.“ Das drückt für mich Nähe und Liebe aus. „Ich möchte etwas mit Dir zu tun haben, Dir kann ich mich anvertrauen.“ Das sind für mich wichtige Bausteine, wenn ich vom Glauben spreche. Da geht es nicht um Abnicken schlauer Sätze oder fehlendes Wissen, sondern um Beziehung, um Dialog und um eine gemeinsame Basis.

Auf diesem Boden kann ich mich der Auferstehung nähern. Der Glaube verbindet mich mit den Menschen damals und ihren Erfahrungen. Ostern drückt für mich eine Sehnsucht nach Leben aus, das über das jetzige hinausgeht, welches geprägt ist durch seine Ecken, Kanten und Unzulänglichkeiten. Auferstehung ist die Hoffnung, dass es mehr im Leben geben muss. Sie ist das Vertrauen, dass menschliche Gewalt und Missbrauch nicht das letzte Wort über die Opfer haben müssen.

Ich spüre die Herausforderung des Festes, nicht nur jetzt in Pandemiezeiten, wo ich auf vieles verzichten muss, was mir lieb ist: der gemeinsame Gottesdienst in der Dunkelheit der Osternacht, die frohen Lieder, das Treffen mit der Familie. Was mich aber trägt sind Erlebnisse, in denen ich das neue Leben entdecken konnte. Das sind wie kleine Mosaiksteinchen des großen Auferstehungsbildes. Es sind meine Erfahrungen, wovon nur ich erzählen kann. Was sie alle miteinander verbindet ist die Verwandlung: von der Resignation zum Mut, von der Angst zur Hoffnung, von der Brache zur blühenden Wiese, von der Verletzung zur Heilung, von der Nacht zum Sonnenaufgang des neuen Tages.

Ostern ist für mich eine Entdeckungsreise, die niemals zu Ende sein wird. Es ist ein Weg, auf dem ich das Leben entdecken und erfahren kann. Jenes Leben, das Gott jetzt schon verwandelt und einmal vollenden wird. Darauf möchte ich hoffen.

Ich wünsche Ihnen ein frohes Osterfest.

 

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Wolfram Rösch

Pastoralreferent in Schwäbisch Hall

Mein Schwerpunkt ist St. Markus. Mir ist es wichtig, Formen zu finden, den Glauben zeitgemäß zu verkünden. Das versuche ich im Gottesdienst, in der Predigt, in den Bildungsangeboten und beim Schreiben von Artikeln. Ich möchte die Menschen anregen, Gott in ihrem Leben zu entdecken. Ein wichtiger Punkt in meiner Arbeit ist die Feuerwehr- und Notfallseelsorge, wo ich auch als aktiver Feuerwehrmann Menschen in absoluten Grenzsituationen beistehen kann. Ich bin verheiratet, meine Frau ist ebenfalls Pastoralreferentin. Wir haben drei erwachsene Söhne.

Wolfram.Roesch@drs.de