Licht in der Nacht
Dezember 25, 2024

Licht in der Nacht

Gott geht in das Risiko unserer Welt und Geschichte ein. Es ist keine heile Welt – damals wie heute – aber es ist eine Welt, in der Heilung stattfinden kann.

Der schreckliche Anschlag in Magdeburg am vergangenen Freitag hat uns fassungslos gemacht. Nach wie vor sind die Motive des Attentäters unklar. Was ging im Kopf dieses Menschen vor, als er bewusst mit dem Auto in die Menschen auf dem Weihnachtsmarkt fuhr? Sie wollten dort einen netten und fröhlichen Abend verbringen. Besonders erschütternd ist, dass der Täter Arzt ist. Die Vorsichtsmaßnahmen und Sperren hatten leider nichts genutzt. Erinnerungen an das Attentat am Breitscheidplatz in Berlin werden wieder wach.

Es ist nicht einfach, jetzt von Weihnachten zu sprechen. Freude, selige Zeit, Frieden – all das verblasst, wenn ich an die Toten, die körperlich und seelisch Verletzten denke, die von dem Attentäter erfasst wurden. Ich denke an ihre Familien, Freunde und spüre: Die ganzen weihnachtlichen Begriffe klingen leer. Die Nacht am Freitag war nicht mehr still; die Schreie der Menschen und die Sirenen der Rettungswagen übertönten alles. Die Glocken klangen nicht süß, sondern erinnerten am Samstag an die vielen Opfer.

Ich hänge an einem alten Adventslied fest: „Komm du Heiland aller Welt“. Der Anfang wird für mich heute zu einem Schrei und zur Anklage: Komme endlich, unser Gott, komm mit deinem Heil! Siehst Du nicht, wie Menschen hier zugrunde gehen? Ich spüre meine Ohnmacht und meine Hilflosigkeit. Was kann ich tun, dass nicht Unheil, Gewalt und Hass ihre Spuren hinterlassen?

Mir geht die Botschaft der Weihnacht nicht aus dem Kopf, die ich heute Abend im Gottesdienst verkünden darf. Sie spricht von einem Zeichen, das Gott setzt. Gott geht in das Risiko unserer Welt und Geschichte ein. Es ist keine heile Welt – damals wie heute – aber es ist eine Welt, in der Heilung stattfinden kann. In Jesus konnten Menschen Gott begegnen. Sie erlebten, wie er Trauernde tröstete, sich mit denen solidarisierte, die ganz unten waren, wie Jesus anderen Menschen Lebensmut schenkte, die sich nur noch den Tod wünschten.

Der Aufstand Gottes für das Leben begann damals in Betlehem, ganz klein und zerbrechlich. Mitten in der Dunkelheit ist das göttliche Licht erfahrbar. „Neues Licht entströmt der Nacht“, setzt das Lied fort. Die Dunkelheit hat keine Macht mehr. Ich hoffe und ersehne, dass die Menschen – ganz besonders in Magdeburg – dieses Licht entdecken dürfen.

Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Weihnacht.

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Wolfram Rösch

Pastoralreferent in Schwäbisch Hall

Mein Schwerpunkt ist St. Markus. Mir ist es wichtig, Formen zu finden, den Glauben zeitgemäß zu verkünden. Das versuche ich im Gottesdienst, in der Predigt, in den Bildungsangeboten und beim Schreiben von Artikeln. Ich möchte die Menschen anregen, Gott in ihrem Leben zu entdecken. Ein wichtiger Punkt in meiner Arbeit ist die Feuerwehr- und Notfallseelsorge, wo ich auch als aktiver Feuerwehrmann Menschen in absoluten Grenzsituationen beistehen kann. Ich bin verheiratet, meine Frau ist ebenfalls Pastoralreferentin. Wir haben drei erwachsene Söhne.

Wolfram.Roesch@drs.de