Zur Nachfolge berufen
Februar 4, 2022

Zur Nachfolge berufen

Der heutige Tagestext erzählt von Jesus, der seine ersten Jünger am See Genezareth in seine Nachfolge ruft. Im Anbetracht der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachten und das nur wenige Tage später veröffentlichte Outing von über 100 Kirchenmitarbeiter*innen birgt diese Erzählung eine gewisse Ironie. Wer folgt Jesus jetzt noch nach, wo doch so Viele der Kirche den Rücken kehren?

Wenn ich mir aber die Menschen genauer anschaue, die in den Evangelien Jesu Ruf nachfolgen, so machen sie mir auch heute noch Mut. Mit Jesus unterwegs sind einige, die von der Gesellschaft ausgegrenzt sind: Blinde und Gelähmte, die von Jesus geheilt werden, Fischer, die garantiert nicht zu den Privilegierten der damaligen Gesellschaft gehören und Frauen, die damals nichts zu sagen hatten. Die Pharisäer und Schriftgelehrten tauchen zwar auch immer wieder auf, aber sie sind nur da, um zu hören und zu sehen, welche Gesetze Jesus mit seinen Taten und Worten bricht.
Jesus spricht zu den Menschen, die sonst keine Hoffnung mehr haben. Seine Botschaft von einem Reich, in dem Liebe, Frieden und Gerechtigkeit herrschen ist für sie besonders überzeugend.

Es ist wichtig, dass es heute auch noch Jüngerinnen und Jünger gibt, die sich in Jesu Nachfolge stellen und am Reich Gottes mit bauen. Wir folgen Jesus nach, wenn wir uns mit den Missbrauchsopfern solidarisieren, die ihr Leben lang von diesen grausamen Erfahrungen gezeichnet und gebrochen sind. Wir folgen ihm nach, wenn wir diese Menschen ernstnehmen und absolute Gerechtigkeit einfordern. Wir folgen Jesus nach, wenn wir, die wir alle Ebenbilder Gottes sind, seine unendliche Liebe ernstnehmen und jede*n unserer Mitmenschen so anerkennen, wie er*sie ist. Wir folgen ihm nach, wenn wir dafür kämpfen, dass Liebe, egal wem sie gilt, niemals aufgegeben werden muss.

Jesus nachzufolgen, war niemals einfach. Manche seiner ersten Jünger haben sich, als es kritisch wurde, abgewandt, ihn verraten, geleugnet oder ihn voll Trauer aufgegeben, als er am Kreuz hing. Mehrere Frauen aber sind geblieben, haben sich gekümmert und haben so als Erste erfüllt von Freude den Auferstandenen gesehen und die Frohe Botschaft weitergetragen. Ich hoffe, dass mit mir ein paar Menschen bleiben, die mit mir trauern, aber die Kirche nicht aufgeben. Christinnen und Christen, die sich mit mir um die Kirche kümmern und am Reich Gottes arbeiten. Ich hoffe, dass es mit der Zeit größer wird und Gerechtigkeit und Liebe in unserer Kirche Einzug halten.

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Laura Sünder

Gemeindereferentin in Schwäbisch Hall

Laura.Suender@drs.de