Ist nicht das ein Fasten, wie ich es wünsche: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, Unterdrückte freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen? Bedeutet es nicht, dem Hungrigen dein Brot zu brechen, obdachlose Arme ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deiner Verwandtschaft nicht zu entziehen? (Jesaja)
Wer sich in dieser Bußzeit auf Ostern vorbereitet, befindet sich seit dem vergangenen Aschermittwoch gewissermaßen in Quarantäne. Dieser Begriff ist in der Corona-Zeit im allgemeinen Wortschatz angekommen und steht in diesem Zusammenhang bekanntlich für eine etwa zehntägige Absonderungszeit. Ursprünglich wurde mit dem Begriff Quarantäne eine Zeitspanne von 40 Tagen gemeint, die in Isolation abzusitzen war, um befürchtete Krankheitserreger an der Ausbreitung zu hindern.
Die vierzigtägige Fastenzeit als Quarantäne vor Ostern hat einen anderen Charakter, sie will helfen, im übertragenen Sinn gesprochen, eine Krankheit der Seele einzudämmen und zwar, ganz im Gegensatz zur Corona-Quarantäne, durch Aufhebung der Selbstisolation. Wer sich selbst aufmerksam beobachtet und reflektiert, wird immer wieder Gelegenheit haben, einen bedrückenden Hang zur Selbstsucht wahrzunehmen. Ich für meinen Teil kann ihn jedenfalls nicht leugnen, er wird mir spätestens bei der Vorbereitung auf die Beichte bewusst. Wenn wir unser Leben egoistisch gestalten, tun wir uns nichts Gutes, sondern kapseln uns ab. Das heißt nicht, unser Handeln dürfte nicht zu unserem Vorteil sein, aber dieser darf nicht zu Lasten anderer ausfallen.
Die größte Chance der Fastenzeit wäre verpasst, würde sie missverstanden als Anlass, sich vor sich selbst und anderen in ein besseres Licht zu rücken, und sei es durch Verzichtsleistungen. Was ein gottgefälliges Fasten darstellt, sagt der alttestamentliche Prophet Jesaja im 58. Kapitel mit klaren Worten: „Ist nicht das ein Fasten, wie ich es wünsche: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, Unterdrückte freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen? Bedeutet es nicht, dem Hungrigen dein Brot zu brechen, obdachlose Arme ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deiner Verwandtschaft nicht zu entziehen?“ Die Antwort auf diese rhetorische Frage erfolgt in hoffnungsfrohen Worten: „Dann wird dein Licht hervorbrechen wie das Morgenrot und deine Heilung wird schnell gedeihen.“
Als direkt Verantwortliche für unser eigenes Leben schauen wir zuerst, was dies für unsere konkrete Lebenssituation bedeutet. Aber wir vergessen auch nicht, dass mit dieser prophetischen Mahnung ebenso die Mächtigen dieser Welt adressiert sind: Lösen oder binden sie mit ihrem Handeln Fesseln des Unrechts? Führen sie Menschen in Unterdrückung oder zerbrechen sie bedrückende Joche? Schaffen sie durch Krieg Obdachlosigkeit und die Versprengung ganzer Familien oder ermöglichen sie Beheimatung?
Bild: Christine Limmer
In: Pfarrbriefservice.de
Studium der Katholischen Theologie und der Philosophie in Jerusalem, München und Tübingen. An meiner Tätigkeit gefällt mir, dass ich Ideen in die Tat umsetzen kann, dass ich interessante Menschen zu Vorträgen einladen darf, dass ich Gespräche moderieren und mit Teilnehmern ins Gespräch kommen kann, dass ich auch selbst Impulse setzen darf und Vieles mehr!
Ich bin verheiratet mit einer Religionslehrerin. Wir haben zwei Kinder und leben in Crailsheim.