Tief im Menschen, im eigenen Schweigen und im Schweigen Gottes sei der Raum für die Erfahrung des „ganz Anderen“, das wir Gott nennen, so Thomas Halilk
Manchmal wünschte ich mir von Gott eine klare Antwort auf meine vielen Fragen: Warum der schreckliche Krieg in der Ukraine, die Drohungen mit Atomwaffen? Warum die vielen gewalttätigen Auseinandersetzungen? Wie kann Gerechtigkeit in der Welt entstehen? Was soll ich tun, damit mein Leben einen Sinn erhält…? Doch Gott schweigt, kein Laut ist zu hören.
Das steht im Gegensatz zu den Erfahrungen bedeutender Personen meines Glaubens: Abraham hörte die Stimme Gottes, die ihn aufbrechen ließ. Zu Mose sprach Gott durch einen Dornbusch. Bei Maria war es ein Engel, der ihr die frohe Botschaft mitteilte, dass sie ein Kind erwarte. Zu Franz von Assisi sagte Jesus am Kreuz von San Damiano: „Baue meine Kirche wieder auf!“ Aber ich kann Gott leider nicht so deutlich hören. Funkstille?
Vielleicht ist aber das Schweigen gerade die Form, in der Gott in unserer Zeit zu mir, zu uns spricht? Auf diesen Gedanken hat mich der tschechische Theologe Tomas Halik gebracht. Er ist überzeugt, dass wir in der Vergangenheit viel zu viel über Gott gewusst hätten. Es gab viele Aussagen, die Gott ganz genau definierten und in ein Gedankengatter mit ganz bestimmten Regeln und Gesetzen eingesperrt hätten. Gott sei aber ganz anders, meint Halik und er führt den Gedanken fort: Wer heute an Gott glauben möchte, müsste in die eigene Tiefe gehen. Das wird oft mit dem Bild der Seele oder dem Herzen umschrieben. Tief im Menschen, im eigenen Schweigen und im Schweigen Gottes sei der Raum für die Erfahrung des „ganz Anderen“, das wir Gott nennen.
Das mag ziemlich abgehoben und weltfremd klingen. Ebenso ist unklar wie die Gedanken bei den Lebensfragen helfen können, die die meisten Menschen derzeit beschäftigen: die Inflation, die hohen Energie- und Verbrauchspreise, die Angst um eine Zukunft angesichts der Kriegsgefahr. Der Impuls klingt nach: In die Tiefe gehen, die eigenen Ängsten und Sorgen in Blick zu nehmen, klar beim Namen zu nennen und sie dann vor Gott abzulegen. Das kann letztlich frei und leer machen. Ich steige aus dem Gedankenkarussell aus, kann mich öffnen und mich und die Welt aus einer anderen Perspektive wahrnehmen. Für die Mystikerinnen und Mystiker ist das ein Weg, wie Gott einen Menschen im Innersten berührt.
So entsteht ein neuer Raum für Erfahrungen, Vorstellungen und Begegnungen. Ich kann auf eine Entdeckungsreise gehen, auf einen Weg, der niemals abgeschlossen ist. Dort kann ich Gott begegnen: in der Liebe, in der Menschlichkeit, in meiner Freiheit, im Angesicht von Menschen, die mir begegnen.
Ich muss mich nur trauen und das Schweigen als einen Impuls erkennen. Gott zeigt sich auf verschiedene Weisen. Daher darf ich ganz entspannt aufstehen und mich auf den Weg machen. Spuren einer ganz anderen Wirklichkeit gibt es viele zu entdecken, denn: „Die Welt ist Gottes so voll. Aus allen Poren der Dinge quillt er gleichsam uns entgegen. Wir aber sind oft blind… In allem will Gott Begegnung feiern.“ Das hat ein großer Mystiker erkannt, nämlich der Jesuit Alfred Delp.
Bild: Adrienne Uebbing In: Pfarrbriefservice.de
Mein Schwerpunkt ist St. Markus. Mir ist es wichtig, Formen zu finden, den Glauben zeitgemäß zu verkünden. Das versuche ich im Gottesdienst, in der Predigt, in den Bildungsangeboten und beim Schreiben von Artikeln. Ich möchte die Menschen anregen, Gott in ihrem Leben zu entdecken. Ein wichtiger Punkt in meiner Arbeit ist die Feuerwehr- und Notfallseelsorge, wo ich auch als aktiver Feuerwehrmann Menschen in absoluten Grenzsituationen beistehen kann. Ich bin verheiratet, meine Frau ist ebenfalls Pastoralreferentin. Wir haben drei erwachsene Söhne.