Sperriger Karfreitag
März 28, 2024

Sperriger Karfreitag

Der Karfreitag ist ein sperriger Tag. Mitten im Frühling, wo die Natur aufbricht und schon viele bunte Blumen zu sehen sind, steht er im Kalender.

Es ist ein stiller Feiertag, eine Pause oder Haltepunkt und unterbricht die selbstverständlichen Abläufe. Die Gottesdienste sind an diesem Tag schlicht und getragen. Im Mittelpunkt der Gedanken und Schrifttexte stehen die letzten Stunden Jesu und sein Tod am Kreuz.

Für mich war er selbst ein sperriger Mensch, weil er nicht in die üblichen Muster passte: Jesu Bewegung eckte an, denn er hinterfragte Altbekanntes. Gegen einen Gott der Rache sprach er vom liebevollen Vater, gegen Ausgrenzung versammelte er die unterschiedlichsten Menschen an einem Tisch und anstelle von Verurteilung sprach er von Vergebung. Er machte niemanden klein, sondern richtete all jene Menschen auf, die von einer Last niedergedrückt waren.

Am Kreuz schien dieser Weg an ein Ende angelangt zu sein. Den Mächtigen war Jesus ein Dorn im Auge, manche fürchteten einen Aufruhr, den die römische Besatzungsmacht mit Gewalt niederschlagen würde und die Frommen hatten Sorgen um ihre Einnahmenquelle, wenn er den Tempel und seinen Kult kritisierte. Jesu Hinrichtung sollte abschrecken. Am Ende stand das Kreuz, das grausame Zeichen der römischen Machthaber.

Auf meinem Schreibtisch liegt ein Kreuz, das ich in einem Kloster gekauft habe. Es verbindet mich mit der wichtigen Zeit der Neuorientierung und Besinnung, die ich dort verbracht habe. Es ist ein Stück geschmiedetes Eisen, neun Zentimeter lang, fünf breit und sieben Millimeter dick. Man sieht deutlich die Spuren, die der Hammer hinterlassen hat. Zwei dünne Striche, die ins Metall gefräst wurden, stellen die beiden Balken dar. In diesem Kreuz entdecke ich die Menschen und ihre Geschichten, mit denen ich damals unterwegs war. Ich denke an manche Auseinandersetzungen, Tränen, oder das Ringen mit Gott, aber auch an neue Aufbrüche, die wir gemeinsam versuchten.

Das Kreuz steht für die Lebensgeschichte Jesu, seine Taten und Worte. Ich erkenne auch darin die vielen Menschen, deren Lebenspläne „durchkreuzt“ wurden, weil sie an einer Krankheit leiden, weil Krieg herrscht, weil sie Gewalterfahrungen machen mussten, weil ihr Leben bedroht ist. Der Karfreitag ist sperrig. Aber ich denke, dass es einer Gesellschaft guttut, wenn sie sich einen Tag nimmt, der das Übliche unterbricht. So kommen auch diejenigen in den Blick, die man im normalen Getriebe übersieht. Ich glaube, dass daraus eine Hoffnung wachsen kann, die über alles hinausweist, was das Leben zerstört und verhindert.

Bild: Michael Bogedain
In: Pfarrbriefservice.de

 

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Wolfram Rösch

Pastoralreferent in Schwäbisch Hall

Mein Schwerpunkt ist St. Markus. Mir ist es wichtig, Formen zu finden, den Glauben zeitgemäß zu verkünden. Das versuche ich im Gottesdienst, in der Predigt, in den Bildungsangeboten und beim Schreiben von Artikeln. Ich möchte die Menschen anregen, Gott in ihrem Leben zu entdecken. Ein wichtiger Punkt in meiner Arbeit ist die Feuerwehr- und Notfallseelsorge, wo ich auch als aktiver Feuerwehrmann Menschen in absoluten Grenzsituationen beistehen kann. Ich bin verheiratet, meine Frau ist ebenfalls Pastoralreferentin. Wir haben drei erwachsene Söhne.

Wolfram.Roesch@drs.de