Welch durcheinander?!
April 29, 2022

Welch durcheinander?!

Was feiern wir denn eigentlich – am 1. Mai? Den 3. Sonntag der Osterzeit, den Tag der Arbeit, das Fest des Heiligen Josephs des Arbeiters, die Patrona Bavariae, den Beginn des Marienmonats – oder einfach einen arbeitsfreien Tag? Jedem das, was er braucht und will!

Nicht wenige werden den 1. Mai als arbeitsfreien Tag, der in diesem Jahr leider auf einen Sonntag fällt, mit einer Maiwanderung oder Radtour oder auf einer Hocketse verbringen. Zwei Jahre Pandemie haben das ja unmöglich gemacht.

Eine ausgelassene Feierlaune will dennoch nirgendwo aufkommen. Alle blicken in Richtung Osten auf das, was sich in der Ukraine abspielt und welche Drohbotschaften aus Russland kommen.

Vielleicht gehören Sie auch zu denen, die am letzten Wochenende mit großer Sorge und Hochspannung die Wahlen in Frankreich verfolgt haben, denn davon hing der Zusammenhalt oder der Verfall Europas ab. Es ist noch einmal gut gegangen – Europa steht auch weiterhin zusammen. Und wie geht es nun weiter?

Der 1. Maifeiertag hat es auch in diesem Jahr in sich. Wirklich unbeschwert wird ihn keiner so richtig feiern können.

Vielleicht aber auch doch, wenn man sich die Entstehungsgeschichte der europäischen Flagge in Erinnerung ruft.

Denn die europäische Flagge macht mir Mut aus dem Glauben heraus.

Am 5. Mai 1949 wurde in London der Europarat gegründet und Paul Levi wurde Leiter der Kulturabteilung. Dieser Paul Levi hatte im Zweiten Weltkrieg das Gelübde abgelegt: „Wenn ich den Krieg und die Nazis überleben werde, dann werde ich zum christlichen Glauben übertreten.“ Er überlebte, lies sich taufen und bekam dadurch ein besonderes Verhältnis zu Maria, der Mutter Jesu.

Als 1955 die Vertreter des Europarates über eine gemeinsame Flagge diskutierten und sämtliche Entwürfe, die mit einem Kreuz die christliche Wurzeln Europas anzeigten, verworfen wurden, da kam jener Levi an einer Grotte mit der Gottesmutter vorbei.

Durch die Sonne beschienen, leuchteten zwölf Sterne wunderschön gegen den strahlend blauen Himmel. Die neue Flagge der europäischen Union war geboren.

Der blaue Hintergrund – nicht nur für die frommen Katholiken die Farbe für Maria, sondern für die Gegenwart Gottes in unserer Welt.

Das Gold der zwölf Sterne, einem König und der Sonne angemessen, steht für die Ewigkeit und gilt als Symbol für die höchste Tugend der Liebe.

Die Zwölf wird bei allen Völkern als eine Glück bringende Zahl geschätzt – als Zahl der Vollkommenheit und Vollständigkeit.

Das ist es, was auch ich Ihnen für dieses Wochenende mitgeben will.

Bleiben Sie mit allen Bürgern beieinander, stehen Sie in diesen schweren Tagen zusammen – wir alle in Europa. Vielleicht – ja mit Sicherheit ist das die einzige Möglichkeit unsere Ängste und Sorgen zu bewältigen, dass wir uns in aller Unterschiedlichkeit beieinander wissen.

Ob Sie nun den Tag der Arbeit, einen freien Tag, den Josephstag oder den Beginn des Marienmonates begehen – ist nicht so wichtig.

Wichtig scheint mir in dieser Situation, dass wir uns trotz aller Unterschiede verbunden und voneinander getragen wissen.

Allen einen gesegneten 1. Mai!

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Dekan Thomas Hertlein

Leitender Pfarrer in der Seelsorgeeinheit Schwäbisch Hall, Dekan

 

Thomas.Hertlein@drs.de