Wem gehört der Schnee?
Dezember 14, 2024

Wem gehört der Schnee?

So ist der Titel eines Bilderbuches von Antonie Schneider und Pei-Yu Chang.

Drei Kinder verschiedenen Glaubens freuen sich in Jerusalem über einen seltenen Schneefall. Sie überlegen: Wer den Schnee gemacht hat? Wem denn der Schnee gehört? Wessen Schnee ist der Richtige? Darüber geraten sie in Streit. Jedes Kind beansprucht den Schnee für sich. Das Argument ist, dass man den einzigen echten Gott hätte. Demzufolge ist auch der jeweilige Schnee der echte Schnee – obwohl er eigentlich genau gleich aussieht. „Mein Gott hat den Schnee gemacht! Mir gehört der Schnee!!“ So geht es hin und her, illustriert mit wütenden Gesichtern und geballten Fäusten.

Um die Frage zu klären, packen die Kinder den Schnee ein. Ein Kind geht zum christlichen Priester, ein anderes zum jüdischen Rabbi und das dritte Kind zum muslimischen Imam. Das ist ja schon mal nicht schlecht, sich einen Rat zu holen. Immerhin.

Bis sie ihr Anliegen jeweils vorgetragen haben, ist der eingepackte Schnee geschmolzen. Die Frage hat sich verflüssigt, sozusagen.

Etwas beschämt und ordentlich geläutert gehen die Kinder von dannen. „Wir hätten mit ihm spielen sollen“, „wir hätten uns an ihm freuen sollen, solange er da war, jetzt ist er weg“, so die traurige Erkenntnis der Kinder. Aber sie bekommen eine zweite Chance: Es schneit erneut. Diesmal nutzen sie die Gelegenheit, um miteinander im Schnee zu spielen. Sie freuen sich gemeinsam daran, statt sich über Besitzverhältnisse die Köpfe einzuschlagen.

Miteinander statt gegeneinander. Ganz einfach und total schwer.

Ersetzen wir mal Schnee mit Worten wie „Land“ oder „Rohstoffe“ oder „Wahrheit“. Wieviel Streit gibt es gerade in der Welt um diese Dinge. Dabei könnte man sich gemeinsam daran freuen? Und eigentlich wissen wir es doch besser: Wir wissen, dass Krieg und gewaltsamer Streit nur Verlierer kennen. Ein Teil der Menschheit vermasselt es leider immer wieder. Und statt beschämt und geläutert die richtigen Schlüsse zu ziehen, geht es wieder von vorne los. Wie traurig.

Ich interpretiere in diesem Zusammenhang Weihnachten und seine Friedensbotschaft: die jährliche neue Chance, sich auf das gemeinsame Geschenk des Lebens, der Schöpfung und des Friedens zu besinnen. Bleibt die Hoffnung, dass wir die Chance nutzen. Das wünsche ich uns allen für die stille und heilige Nacht. Und selbst, wenn es dann nicht schneit, geht Ihnen vielleicht wie mir der letzte Abschnitt im Buch unter die Haut: „Es ist so still. Es gibt genug Schnee für alle.“

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Jochen Old

Schuldekan für Grund-, Haupt-, Werkreal-, Real-, Gemeinschaftsschulen und SSBZ

 

sdaghrs.sha@drs.de